Rammstein – Es war Zeit für ein neues Album

Die Berliner Band Rammstein polarisiert, wie kaum eine andere. Regelmäßig werden zu dem jeweils neuen Album (Pseudo-)Skandale initiiert, um so auch ja die notwendige Aufmerksamkeit zu bekommen. Beim mittlerweile achten Album »Zeit«, das am 29. April erschien, ist der Skandal wohl der, dass es keinen übermäßigen Skandal gibt. Weitere interessante Metal-Storys gibt es hier zu lesen.

InterpretRammstein
AlbumZeit
Veröffentlichung29.04.2022
GenreNeue Deutsche Härte
LabelRammstein / Universal Music
Tracks11
Bewertung der Redaktion8,0/10
Spieldauer44:16 Min

Feuerwerker mit rollendem „R“

Es ist egal, was ich nachfolgend über Rammstein und ihr neuestes Werk schreibe, denn es wird definitiv „falsch“ sein. Falsch für die, die Rammstein nicht mögen, womöglich hassen, wenn ich positive Dinge erwähne und das Album gut abschneidet. Ebenfalls falsch für die Fans und die Menschen, die jeden Luftzug um die Band in sich aufsaugen, als wäre es ein Lebenselixier, wenn ich negative Kritik äußere. Ich bewege mich also auf dem schmalen Grat zwischen Heldenverehrung und Gotteslästerung und gehe das Risiko dennoch ein.

Rammstein haben einige Eigenheiten am Start, die neugierig machen. Live ist es die Feuershow und das Inferno aus Spezialeffekten, das einer Hollywood-Action-Produktion vom Explosionsfaktor her in Nichts nachsteht. Sänger Lindemann sorgte mit seinem rollenden „R“ sehr früh in der Karriere für Aufmerksamkeit und so manche Zeitgenossen wollten ihn deswegen in die rechte Ecke stellen, was natürlich Unsinn ist.

Rammstein - Zeit
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Gezielte Provokation

Aber, die Band spielte dennoch geschickt mit Elementen, die durchaus (gewollte) Ähnlichkeiten mit nationalsozialistischer Ästhetik und dem damit einhergehenden Auftreten des Militärs besaßen. Als gar für das Video ‚Stripped‘, eine Coverversion des Depeche Mode-Songs, Filmmaterial von Leni Riefenstahl verwendet wurde, war die Aufregung groß. Doch es verhalf auch zu mehr Bekanntheitsgrad. Insofern darf gezielte Provokation unterstellt werden, die sich regelmäßig durch die Karriere der Band zog.

Musikalisch der Neuen Deutschen Härte zugeordnet, sind die Songs oft hart, düster und mit abgehacktem, an den Gleichschritt von Militärmärschen erinnernd, Rhythmus angelegt. Auch Till Lindemanns Stimme, die sich vornehmlich im Bass– und Baritonbereich bewegt und in der immer eine gewisse Melancholie mitschwingt, sorgten dafür, dass Rammstein nach und nach auch international erfolgreich wurden.

Weltweit erfolgreich

Aktuell sind sie, hinter den Scorpions, die international erfolgreichste Band aus Deutschland. Diesen Status werden sie auch mit »Zeit« weiter ausbauen, besonders wohl auch, weil im Umfeld der Band anklang, dass es sich um das Abschiedsalbum handeln könnte. Doch auch diese Aussage muss nicht stimmen und kann nur getroffen worden sein, um erneute Aufmerksamkeit zu erzielen.

»Zeit« – Review der einzelnen Songs

Da es, wie oben erwähnt, sowieso „falsch“ sein wird, was ich schreibe, gehe ich an die Kritik völlig losgelöst heran, besonders, weil mir die Band und ihre Musik nicht viel bedeuten. Gelinde gesagt sind sie mir sogar egal, ich mag sie nicht übermäßig, ich hasse sie auch nicht und empfinde sie nur als überbewertet. Doch das wird meinen Blick weder trüben, noch sonderlich durch eine rosa Brille fallen lassen. Die Eröffnungsnummer ‚Armee der Tristen‘ beinhaltet alle Eigenheiten, die als Blaupause für einen Rammstein-Song stehen könnten. Marschierender Rhythmus, düsterer Grundtenor und Lindemanns üblicher Gesang, allerdings ohne sein rollendes „R“, das auf dem gesamten Album ausbleibt. Die Keyboardteppiche weichen den Song etwas auf.

Es folgt der Titeltrack, der bereits im Vorfeld ausgekoppelt worden war und mit Pianoklängen beginnt. Passend zum Text, es geht um den Lauf der Zeit und dass man sie gerne anhalten möchte, baut sich der Song nach und nach auf. ‚Zeit‘ ist einer der Songs, der mich sofort mitnimmt und für mich einen echten Höhepunkt darstellt. Es schließt sich ‚Schwarz‘ an, das eher belanglos ohne große Aufregung dahinplätschert und sich gut in den Katalog ähnlich gelagerter Rammstein-Stücke einpasst. Ungewohnte Keyboardspielereien eröffnen ‚Giftig‘, das mit seinem Refrain gleich ins Ohr geht und den einen oder anderen Fuß zum mitstampfen bewegen wird.

‚Zick Zack‘, wieder hart und stampfend, setzt sich mit der Beautybranche und vor allem Schönheitsoperationen in typischer Bandmanier kritisch auseinander. Nett klingender Song mit kritischem Text, sehr gelungen. Wieder etwas heftiger und treibender geht ‚OK‚ zur Sache, wobei „OK“ ohne Kondom bedeutet. Die Band hatte ja schon des Öfteren “schmutzige” Texte, die, nun ja, wie auch immer, es muss jeder für sich selbst entscheiden, zu beurteilen sind. ‚Meine Tränen‘, fast schon balladesk begeistert mit der perfekten Symbiose zwischen Musik, Text, der viel Interpretationsraum lässt und bei dem Lindemanns Gesang herausragt.

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Es folgt ‚Angst‘, das wieder den typischen, harten treibenden Rhythmus aufweist und mit einem, auch oft bei Rammstein zu hörenden, Sprechgesang ergänzt. Fröhliche Volksmusik, á la ‚Muss I denn zum Städele hinaus‘, leitet ‚Dicke Titten‘ ein, bevor dann der rabiate Gleichschritt der Instrumente einsetzt. Unterbrochen wird dieser durch den Refrain, der beinahe zu nett daherkommt, bevor es dann erschallt: Dicke Titten.

Bei ‚Lügen‘ gibt der Frontmann den Erzähler zu einer einfachen Melodie, die dann durch brachiale Wucht unterbrochen wird, nur, um erneut zu erklingen und dem Erzähler ermöglicht fortzufahren. Etwas verwunderlich der zeitweise Einsatz von Autotune auf dem Gesang. Beendet wird »Zeit« mit ‚Adieu‘, das erneut vom Wechselspiel zwischen ruhigen Tönen und harten Riffs lebt. Ob hiermit der Abschied der Band verkündet wird, ist reine Spekulation, auch wenn einige Textzeilen diese anheizen.

Zusammenfassung

Als neutraler Hörer muss ich gestehen, dass Rammstein mit »Zeit« ein sehr ansprechendes Album, auch für Nichtfans, abgeliefert haben. Es wurden die Elemente geschickt eingesetzt, die für den Stil und die Ausrichtung der Band stehen und so wurde erneut ein Album geschaffen, das gut hörbar ist und sicherlich Aufmerksamkeit verdient hat. Doch es ist auch kein Werk für die Ewigkeit, das womöglich neue Maßstäbe setzt. Es ist einfach ein gelungenes Album, das seine Berechtigung hat, nicht mehr, aber auch nicht weniger.


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