Bandorga mit WhatsApp & Excel? Willkommen im Jahr 2009. Schon das Wort klingt nach Excel-Albtraum, Screenshot-Chaos und ewigen WhatsApp-Diskussionen über den nächsten Probetermin. Wer schon einmal in einer Band gespielt hat, weiß: Musik machen ist eine Sache – sich auf einen Auftritt, einen Song oder einen Termin zu einigen eine andere. Tobias Gasser hatte keine Lust mehr auf all die verteilten Infos, Apps und den Kommunikations-Overhead. Also hat er ein Software-Projekt gestartet, das Bands bei der Orga unterstützt.


Sein Projekt heißt BANDZONE und will Bands geben, was viele von ihnen dringend brauchen: Struktur. Aber keine Management-Vibes, keine digitalen Handschellen. Nur ein Werkzeug, das funktioniert, ohne aufdringlich zu sein. Im Interview erzählt er, wie er vom Excel-Anwender zum Entwickler einer Bandplattform wurde, warum der Münchner Weihnachtsmarkt plötzlich zum Beta-Feedback-Center wurde – und was passieren wird, wenn sich Bands wie… nun ja: Erwachsene organisieren würden.


BANDUP: Tobi, du hast BANDZONE gegründet, um Bands das Leben zu erleichtern. Gab es eine persönliche Erfahrung, ein Band-Drama oder eine organisatorische Katastrophe, die dich dazu inspiriert hat, BANDZONE ins Leben zu rufen?

Tobi: Ein Drama oder eine Katastrophe gab es nicht. Die erste lose Idee entstand einige Zeit nach der Gründung meiner Band, in der ich zum ersten Mal wirklich mit Band-Organisation und deren Tücken in Berührung gekommen bin.

Davor war ich musikalisch alleine und in sehr kleinen Besetzungen unterwegs. Da war z.B. die Termin-Organisation noch nicht so ein Problem. In der Band mit 7 Personen wurde dann jedoch schnell klar, dass die Proben- und Gig-Orga mit diversen Excel-Sheets etc. dann doch irgendwann an ihre Grenzen stößt. Ganz zu schweigen von der fehlenden Übersicht für alle Beteiligten zu diversen Themen, wie Gig-Locations, Termindetails, Song-Recordings, etc.

Mit meinem beruflichen Hintergrund in der Websoftware-Entwicklung und Affinität zu Design reifte immer mehr die Idee, einen zentralen und einfach zu bedienenden „Info- und Orga-Hub“ für unsere Band zu bauen. Bis zum tatsächlichen Programmierstart Ende 2017 gingen dann jedoch noch ein paar Jahre ins Land und bis zur offiziellen Veröffentlichung 2023 nach einer langen internen Alpha- und Beta-Phase nochmal ein paar weitere. Wie’s halt manchmal so ist, mit Seitenprojekten.

BANDUP: BANDZONE ist mittlerweile seit Anfang 2023 online – gibt es eine witzige oder skurrile Geschichte aus der Beta-Phase, die du bis heute nicht vergessen hast?

Tobi: Hm, das eher nicht aber etwas Überraschendes bzw. etwas, das ich so nicht in dem Umfang erwartet hatte: das Engagement sehr vieler Bands, die Plattform mitzugestalten, Feedback zu geben und Funktionen und Verbesserungen vorzuschlagen. Und zwar seit dem Start der Beta-Phase bis heute.

Das Feedback ist dabei in den meisten Fällen nicht nur ein Einzeiler oder kurzer Absatz, sondern wirklich ausführliche Beschreibungen der individuellen Orga-Abläufe und Wünsche mit viel sich anschließendem E-Mail-Austausch über Zoom-Calls bis hin zu persönlichen Treffen. In schöner Erinnerung ist mir hier eins der ersten Treffen mit Sascha und Andy von „Phil it!“ auf dem Münchner Weihnachtsmarkt 2023 geblieben.

Das Dashbard von BANDZONE mit einer Übersicht der wesentlichen Funktionen

BANDUP: Was war die bisher größte Herausforderung bei der Entwicklung von BANDZONE, bei der du dachtest: „Warum hab‘ ich mir das eigentlich angetan?!“?

Tobi: An erster Stelle steht hier sicher die mobile App für iOS. Über einen längeren Zeitraum war nicht klar, ob wir die App ohne In-App-Zahlungen in den Store bekommen würden.

Das wäre sowohl technisch sehr schwierig (= teuer) einzubauen gewesen, u.a. weil BANDZONE ja auch komplett unabhängig von den Apps im Browser mit demselben Account funktionieren soll. Darüber hinaus wäre es auch für unsere Buchhaltungsprozesse der Alptraum geworden, weil wir mit unserem Zahlungsdienstleister Paddle ja einen sehr zuverlässigen Partner haben, der uns so gut wie die ganze Arbeit bei der Abrechnung abnimmt. Diese Zahlungslösung von Paddle hatten wir schon 2023 eingebaut und erfolgreich seitdem genutzt. Mit In-App-Zahlungen hätten wir jedoch jede einzelne Buchung selbst handhaben müssen – inkl. internationaler Steuergesetzgebung und allem, was dazu gehört. Das hätte ggf. die iOS App ins Aus geschossen oder zumindest sehr verzögert und alles deutlich teurer gemacht.

„Die Feature-Wunschliste ist noch lang“

BANDUP: Musiker sind nicht immer die diszipliniertesten Menschen – wie geht ihr bei BANDZONE damit um, chaotische Bands ein bisschen besser zu strukturieren, ohne sie dabei zu bevormunden?

Tobi: So pauschal würde ich das nicht sagen. Meistens gibt es in den Bands (zumindest denen bei uns) mindestens eine Person, die die Orga in der Hand hat. Ob gezwungenermaßen oder tatsächlich auch gerne.

Wir müssen nicht sehr viel mehr machen, als genau für diese Leute schnell greifbar zu sein und offene Ohren zu haben. Vom vielleicht vorhandenen Gegenwind, den diese Kolleginnen und Kollegen abbekommen, bekommen wir dann nur in zweiter Reihe ein leises Lüftchen mit – wenn überhaupt.

Bzgl. Bevormunden: wir bringen natürlich schon eine gewisse eigene Meinung in BANDZONE ein, versuchen diese aber immer so gut es geht zu begründen. Z.B. wenn wir uns bewusst für oder gegen ein bestimmtes Detailfeature entschieden haben. Meistens haben die Begründungen ihren Hintergrund darin, die Bedienbarkeit einfach und möglichst zugänglich zu halten oder eine gute Balance zwischen technischem Aufwand und Vorteil für die User zu finden – schließlich ist die Featurewunschliste noch lang.

Struktur für Bands, aber ohne erhobenen Zeigefinger

BANDUP: Kommunikation ist bei Bands oft ein heikles Thema – hast du aus der Entwicklung von BANDZONE einen persönlichen Tipp für Bands, wie man interne Konflikte vermeiden oder besser lösen kann?

Tobi: Weniger aus der Entwicklung als vielmehr aus der eigenen Band-Erfahrung:

1) Möglichst offen kommunizieren und versuchen, entspannt damit umzugehen, wenn jemand mal nen schlechten Tag/Woche hat. Wenn man in der Band bereits länger zusammen ist kennt man ja auch üblicherweise die Eigenheiten von jedem (und sich selber) und kann gewisse Dinge besser einschätzen.

2) Von Anfang an klären, was und wie man Musik machen möchte. Wenn nach Jahren rauskommt, dass ein paar Leute nur schleppend mitgemacht haben, weil sie eigentlich was ganz anderes machen wollten, dann kann sich “missionskritischer“ Frust aufbauen. Das kann sowohl das generelle Genre (oder das Fehlen eines solchen) betreffen, aber auch, wer wie oft oder überhaupt Lead-Vocals macht bis hin zur generellen Abneigung gegenüber Probenarbeit. Auch die Probenhäufigkeit und zeitliche Lage kann ein Thema werden, das möglichst schnell und kreativ geklärt werden sollte, damit niemand dauerhaft schon genervt bei der Probe auftaucht. Allerspätestens nach der Probe sollten alle mit dem Erreichten zufrieden sein.

BANDUP: Gibt es einen geheimen Tipp oder ein verstecktes Feature in BANDZONE, das du besonders cool findest, das aber von Nutzern bislang kaum entdeckt wurde?

Tobi: Ein Easteregg haben wir zwar nicht eingebaut, aber jetzt ganz frisch eine Möglichkeit ausgerollt, dass man auf einen für Rot-Grünblindheit optimierten Modus umschalten kann. Das wurde erst kürzlich an uns herangetragen und finde ich ganz nice – auch wenn ich nicht selbst betroffen bin. Gerade in der männlichen Bevölkerung ist der Prozentsatz mit Rot-Grün-Schwäche ja recht hoch (knapp 10%), und bei unseren Usern ist wiederum ein Großteil männlich.

BANDUP: Welches Feature hat euch am meisten Kopfschmerzen bereitet, aber war es letztlich wert? Warum?

Tobi: Wenn es um Kopfschmerzen und nicht nur den Aufwand geht, waren es sicher (wieder) die Apps. Hier haben wir deutlich länger gebraucht als ursprünglich veranschlagt, weil wir z.B. für die Erstellung mit der App-Plattform einige Schleifen mehr drehen mussten als gedacht. Auch der Freigabeprozess in den App-Stores mit seinen ganzen technischen und inhaltlichen Anforderungen hat einiges an Nerven gekostet. Aber: sowohl die Auswahl der App-Plattform als auch die Entscheidung zu den Apps war die Richtige.

BANDUP: Gibt es eine Funktion, die du selbst unbedingt in Zukunft bei BANDZONE sehen möchtest, weil du denkst, dass sie Bands noch einmal deutlich weiterbringen würde?

Tobi: Da gibt es ein paar: z.B. das Anlegen von ToDos, so dass man Trello o.ä. in vielen Fällen ersetzen können wird oder auch die Angebots- und Vertrags-Erstellung sowie die Bandkasse.

Für meinen eigenen Probenablauf freue ich mich auf die Erweiterung der persönlichen Songnotizen, so dass man auch leicht formatierte Notizen in den Setlist-Generator reinbekommt. Damit kann man sich dann z.B. ein eigenes Rehearsal-Sheet mit Text- oder Akkord-Stichpunkten bauen.

Am gespanntesten bin ich darauf, wie die kostenlose band.bio-Seite ankommen wird, die wir vermutlich im Spätsommer 2025 launchen werden.

BANDUP: Wie du bereits erwähnt hast, seid ihr dieses Jahr mit iOS- und Android-Apps an den Start gegangen, woran ihr länger als erwartet gearbeitet habt. Wie war die erste Resonanz zu der mobilen Version aus der Community?

Tobi: Super! Das hat nochmal einen richtigen Schub gegeben und die Resonanz war durchweg positiv – bis auf die anfänglich noch fehlenden Push-Notifications. Dieses Feature hatten wir verschoben und erst kürzlich eingebaut , um den Start der Apps nicht noch länger zu verzögern.

Ein kleines Problem gibt es noch mit der PDF-Vorschau in der Android-Version. Diese Vorschau ist mit dem aktuellen Setup leider nicht möglich und deswegen deaktiviert.

BANDUP: Wenn du Bands, die BANDZONE noch nicht nutzen, einen einzigen Grund geben könntest, warum sie das unbedingt ändern sollten – welcher wäre das?

Tobi: Man braucht für die Band-Orga mit BANDZONE weniger andere Software – mit allen Konsequenzen, die das hat: (Fast) alles ist dort, wo es hingehört und für jeden immer zugänglich. In Zukunft wollen wir für Bands immer mehr andere Software überflüssig machen und durch sinnvolle und einfache Funktionen in BANDZONE ersetzen.

Wichtig ist uns aber auch immer zu betonen, dass BANDZONE natürlich nur eine Möglichkeit von mehreren ist, seine Band zu organisieren. Jede Band muss für sich rausfinden, was für sie funktioniert, welche Features bei uns überhaupt relevant für sie sind und ob sie bereit sind, für eine mögliche Erleichterung in der Orga ein wenig Geld auszugeben.

Ich würde die Frage somit aufgreifen und leicht modifizieren:
Jede Band, die nicht mehr als 95% zufrieden mit ihrem aktuellen Orga-Setup ist, sollte BANDZONE unbedingt zumindest einfach mal ausprobieren. Der Test kostet nix, geht 32 Tage mit der gesamten Band und allen Features. Und bald gibt’s dann noch eine kostenlose Link-In-Bio-Page obendrauf.

Wie zufrieden bist du insgesamt mit den Funktionen von BANDZONE?

Gesamtergebnis sehen

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Damit sind wir am Ende unseres Gesprächs mit Tobias angekommen – und vielleicht auch ein kleines Stück näher an der geordneten Bandwelt.

Ob Band mit sieben Vollblutmusikern oder ein Duo mit Kontrollfimmel – wer keine Lust mehr auf Messenger-Marathons, Zettelwirtschaft oder den ewigen Kampf um den Proberaum hat, sollte BANDZONE zumindest mal ausprobieren. Tobias Gasser zeigt mit seinem Tool, dass gute Bandorga nicht nach Business-Software aussehen muss – sondern nach einem Ort, an dem Musikschaffende einfach machen können. Und ganz ehrlich: Wer es schafft, sieben Menschen auf einen Gig-Termin zu einigen, hat ohnehin jede Unterstützung verdient, die er kriegen kann.