Die junge Softwareschmiede Noiseworks hat mit GainAim die nächste Generation der Vocal Rider ausgerollt. Und zwar derart überzeugend, dass die Szene sich wundert, weshalb das ein Plugin und nicht integraler Bestandteil einer DAW ist. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich dabei lediglich um eine weitere der zahlreichen Audio-Apps handelt oder GainAim als zeitgemäßes Tool tatsächlich die effiziente und vor allem zeitsparende Lösung für Auto-Gain ist und ein praktisches Hilfsmittel im Mix-Alltag darstellt.

Aufgeräumte Signale bereits vor dem ersten Kompressor

Das Tool muss zunächst richtig eingeordnet werden: Mit einem Vocal Rider wird bekanntlich die Stimme stabil und dauerhaft vor dem Mix platziert, wobei sehr dynamische Aufnahmen durch den Leveler bereits vor dem ersten Kompressor oder EQ kontrollierbarer eingepegelt werden. Es geht also keinesfalls darum, auf Kompressoren vollkommen verzichten zu können.

Vielmehr ist das Ziel, die jeweiligen Audiosignale – ob Gesang, Gitarre, Bass oder was auch immer – sauber und dynamisch aufgeräumt an den Kompressor zu übergegen, damit der möglichst wenig in die Aufnahme eingreifen und nicht mehr so hart arbeiten muss.

Alternative für den betagten Klassiker

Selbstverständlich lassen sich die Einstellungen vom Clip-Gain bis zum Schreiben von Lautstärkeautomatisierungen in der DAW händisch durchführen, das allerdings ist aufwändig und kostet Zeit. Und wer hat die schon? Lösungsorientiert sind Producer also bestrebt, die Automatik etwa beim Vocal Rider von Waves zu nutzen.

Tatsächlich aber ist der Referenz-Klassiker bereits ein wenig in die Jahre gekommen. Manche Anwender waren mit den Automatik-Resultaten nicht vollends zufrieden und mussten dann doch wieder manuell nacharbeiten. Exakt dieser Aspekt ist eines der Hauptargumente für das Audio-Plugin GainAim.

Die Gründer Moritz Surwehme and Ilan Adar

Visuell pragmatisch und Arbeitsfreundlich designt 

GainAim von Noiseworks zeichnet sich zunächst durch die moderne und nicht minder übersichtliche visuelle Darstellung aus.  Sämtliche Details lassen sich kontrolliert im Blick behalten, wobei sinnvollerweise auf unnötig verwirrenden Schnickschnack verzichtet wurde. Dabei zeigt das Plugin optisch präzise an, was es gerade macht, wobei die Oberfläche zudem frei skalierbar ist.

Integriert sind ein Pre- und ein Post-Analyser, mittels derer die vorgenommen Änderungen in Echtzeit angezeigt werden. Ebenso befindet sich auf der rechten Seite eine Anzeige, mit der die Verstärkungseinstellungen in dB dargestellt werden. Mit dem gewünschten Level lässt sich zunächst die Linie der Ziel-Lautstärke, benannt als Target Loudness, positionieren. Darunter befindet sich mit einer weiteren Linie der sogenannte Noise Floor.

Design und Funktionalität auf den Punkt gebracht

Hinzu kommt über ein Ausklappmenü die Auswahl der fünf verschiedenen Arbeitsmodi. Optisch wirkt die Bedien-Oberfläche schlichtweg auf den innovativen und eben nicht überfrachteten Punkt gebracht. Mit seiner aktuellen Visualisierung scheint GainAim im Vergleich zu Vocal Rider aus einer anderen Dimension zu stammen.

Und dabei vereint das Plugin gleich mehrere Funktionalitäten. Vocal Rider, Bass Rider, Auto-Gain und mehr: GainAim vereint all diese Anwendungsfälle in einem Gain Rider. Die gebotene Anwendungsvielfalt macht das Tool zu einer wirklich relevanten Alternative zu anderen Vocal Rider Plugins. Und damit wären wir auch bereits bei der audiophilen Praxis angekommen.

Weitaus mehr als ein schlichter Vocal Rider

Bleiben wir nochmal bei den beiden justierbaren Linien. Mit Target Loudness sorgt GainAim dafür, dass das Signal immer in Richtung der Lautstärke gelevelt wird. Die Signale haben also – um das richtig zu verstehen – keine Begrenzungs-, sondern eine Ziellinie. Genau dadurch unterscheidet sich der Loudness-Balancer von einem hart gefahrenen Kompressor oder Limiter.

Störgeräusche lassen sich mit GainAim nicht ausblenden. Signale unter dem NoiseFloor werden einfach nur nicht zu dem eingestellten Target Value hin angepasst. Dadurch ist z.B. leichtes Rauschen zwischen den Parts im Verhältnis zum Gesang leiser. In jedem Modus (Leveler, Rider, Fast, Squash) wird die eingehende Wellenform dargestellt, ebenso auch die farbliche Unterscheidung zwischen angehobenen Signalen (Grün) und abgesenkten Signalen (Rot).

Bildquelle: Noiseworks (GainAim Vocal Rider)

Anpassungsgeschwindigkeiten durch verschiedene Modi

Die Art und Intensität des Zugriffs auf die einkommenden Audiosignale wird über den jeweiligen Modus vorgegeben. Der simpelste ist der Locked-Modus, der irgendwie auch ein wenig stiefmütterlich behandelt wird. Im Gegensatz zu den anderen Modi ist dafür nicht mal eine Beschreibung hinterlegt.

Beim Locked Modus wird nicht nachgeregelt; letztlich handelt es sich eher um einen simplen Fader. Der Leveler-Modus unterstützt eine smoothe und langsamere Gain-Anpassung. Der Rider-Modus ist mit relativ langsamer Zugriffszeit für ausgeglichenere Vocals konzipiert und somit vergleichbar mit dem klassischen Vocal Rider. Dadurch klingt er somit auch natürlicher, als würde der Sound Engineer selbst den Fader ein wenig anheben.

Bildquelle: Noiseworks (GainAim Vocal Rider)

Des Weiteren stehen die beiden Modi „Fast“ und „Squash“ mit ihren jeweils besonderen Vorzügen parat. Wie die Bezeichnung bereits unmissverständlich besagt, reagiert das Programm im Fast-Modus deutlich schneller. Der immanente Vorteil: Beispielsweise Phasen, in denen die Töne langsam und mit entsprechend abnehmender Lautstärke ausklingen, können wirkungsvoll angehoben und ausgeglichen werden. Der Modus “Fast” funktioniert sehr gut, wenn man einen schnellen Gain Rider haben möchte. Muss jedoch mit einem hohen NoiseFloor kombiniert werden, da dieser Modus sonst zu stark in die Dynamik eingreift. Ähnliches gilt für Squash. Fast und Squash sind je nach Genre auch hervorragende Bass Rider, da ein Bass für gewöhnlich stark komprimiert werden kann.

Die jeweilige Gesangs- oder Instrumentalspur bleibt somit im Mix länger im Vordergrund stehen. Ebendies wird im Squash-Modus nochmals verstärkt, was allerdings auch ein gewisses Risiko birgt, die Takes zu zerstören. Lauter ist eben nicht wirklich besser, auch wenn unsere menschlichen Lauschlappen sich in dieser Hinsicht gerne mal selbst belügen. Dementsprechend kann eine Vorinstanz wie GainAim schon mal die gröbsten Anpassungen einem Kompressor abnehmen.

Latenzfreier Vocal Rider auch für den Livemix

Umso interessanter ist das Tool für das Live-Abmischen von beispielsweise Konzerten oder beim Streaming, zumal der Vocal Rider ohne Latenz arbeitet. Nur folgerichtig kann durch die Kombination aus GainAim und allenfalls vorsichtig zugreifenden Kompressoren die Authentizität von Stimmen und unterschiedlichsten Instrumenten erhalten und in der Regel wirkungsvoll optimieren.

Die gewünschte Dynamik bleibt erhalten, ohne dass die Peaks das Gesamtresultat gefährden würden; Kompressoren, Limiter und Equalizer können weitaus zurückhaltender eingepegelt werden. Der Live-Mix hört sich sehr nach Natürlichkeit an.

Zeitgemäßer Vocal Rider 39 €

Zusammengefasst

Offensichtlich nicht unbegründet findet GainAim als zeitgemäßer und nicht minder vielseitiger Balancer, Multi- als auch Vocal-Rider schnell eine Menge Fans unter den audiophilen Producern und Technikern. Das Tool ist eine willkommene und arbeitsfreundliche digitale Bereicherung für all jene, die das Gras wachsen hören, weil sie es für hochqualitative Aufnahmen hören müssen.

Das Plugin setzt dort an, wo eigentlich seit einigen Jahren nicht mehr viel passiert ist, und läutet damit einen neue Generation der Audio- und Vocal Rider ein. Das Potenzial der „kleinen Hilfestellung“ ist immens und tatsächlich scheint es allenfalls eine Frage der Zeit, bis die großen Software-Anbieter den Balancer in ihre DAWs implementieren möchten. Aber die findigen Startup-Köpfe von Noiseworks werden sich sicherlich ihre Rechte gesichert haben.

Der Download erfolgt mit Lizenz direkt über die Online-Präsenz der Entwickler. Noiseworks Audio

  • Dynamikerhalt
    (5)
  • Einsetzbarkeit
    (4.5)
  • Oberflächen-Design
    (4)
  • Bedienbarkeit
    (4.5)
  • Support
    (5)
Overall
4.6
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