Linkshänder-Gitarren – nur noch ansatzweise Exoten
Zugegeben, die Auswahl an Gitarren für Linkshänder ist noch immer weitaus geringer als für rechtshändige Gitarreros. Aber nachdem diese „Minderheit“ seitens der Hersteller lange Zeit kaum bis gar nicht beachtet wurde, haben die Marken inzwischen erkannt, dass diese speziellen Instrumente sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Man gibt sich Mühe, den Wünschen zu entsprechen. Die gute Nachricht: Inzwischen haben die meisten Marken Lefty-Gitarren im Programm. Schauen wir mal, weshalb das solange gedauert hat:
Linkshänder Gitarre – ein Mangelinstrument aus BWL-Perspektive
Das Problem der Verfügbarkeit von Linkshänder E-Gitarren oder Linkshänder Akustikgitarren auf Herstellerseite ergibt sich schlichtweg aus der Tatsache, dass es weniger Links- als Rechtshänder gibt. Zwangsläufig gibt es auch weniger potenzielle Abnehmer. Um die Wünsche der linksspielenden Player abzudecken, müssen die Produzenten ihre Herstellungsprozesse somit zu nahezu identischen Kosten wie bei Rechtshänder-Instrumenten umstellen, obschon sie nicht von der gleichen Marge und dem gleichen Gewinn pro Stückzahl ausgehen können. Das zumindest ist die oberflächlich betriebswirtschaftliche Seite.
Studienbelegt: Lediglich etwa jeder Zehnte ist Linkshänder
Vielleicht mal in Zahlen? Eine groß angelegte Studie der Universitäten St. Andrews, Athen, Oxford, Bristol und Bochum aus dem Jahr 2021 hat ergeben, dass 10,6 Prozent der Menschen Linkshänder sind. Soviel zur erreichbaren Zielgruppe. Offensichtlich sind die Leftys kein Einheitsbrei, kein Mainstream, stattdessen eine Minderheit und deshalb automatisch etwas Besonderes.
Leftys im Portfolio der Hersteller untermauern auch das Markenimage
Glücklicherweise haben Marken wie Fender, Ibanez, Gibson, Harley Benton und zahlreiche weitere längst verstanden, dass das Angebot der Linkshänder E-Gitarre als auch in der Version als akustische Gitarre zugleich eine Frage der Marken-Akzeptanz bei den Endkunden ist. Einerseits möchte man sein Brand-Image rundum festigen, andererseits natürlich auch die Linkshänder bei E-Gitarre und akustischer Gitarre abholen und auf dieses Stück des Umsatzkuchens keinesfalls verzichten. Hinzu kommt, dass der Ruf nach maßgeschneiderten Linkshänder-Instrumenten immer lauter geworden ist.
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Die meisten Marken haben inzwischen auch Linkshänder-Modelle im Sortiment
Am Markt werden inzwischen von den meisten Marken auch Gitarren – sowohl als Linkshänder E-Gitarre als auch akustische – für Leftys angeboten. Bei manchen mehr, bei anderen weniger. So findest du beispielsweise Linkshänder E-Gitarren und Acoustics von:
- Fender
- Gibson
- Ibanez
- PRS
- Gretsch
- Harley Benton
- uvm.
Vom einstigen Außenseitertum zur heutigen Selbstverständlichkeit
Die Nachfrage war eigentlich immer vorhanden, spätestens seit Jimi Hendrix mit seinen legendären Auftritten, etwa in Woodstock 1969. Hendrix hatte auf seine Fender Stratocaster die Saiten einfach umgekehrt aufgezogen. Zugegeben, er war nicht der erste Player, der die LH-Problematik auf diese Weise löste; allerdings war er aufgrund seiner immensen Popularität einer der Vorreiter. Dabei muss man die Verhältnisse der damaligen Zeit verstehen. Linkshänder galten als nicht normal, zumindest als etwas merkwürdige Exoten; in den Schulen wurde das Schreiben mit der linken Hand nicht akzeptiert.
Die Sache mit der verteufelten Hand – Hendrix bewies das Gegenteil
Auch der Vater von Jimi Hendrix hatte versucht, ihn vom „Teufel“ der „falschen Hand“ abzubringen und seine Pentatoniken auf einer Rechtshändergitarre zu spielen. Glücklicherweise ohne Erfolg. Hendrix nutzte eine Rechtshänder Stratocaster von Fender, zog die Saiten umgekehrt auf und schlug die mit der linken Hand an. Den optischen Reiz, dass dabei auch der Kopf der Gitarre auf denselben gestellt wurde, ließen die Gitarrenbauer später sogar mit der Bezeichnung „Reversed Headstock“ in ihre Modelllinien für Rechtshänder mit einfließen. Aber nicht abschweifen, denn:
Weshalb schlichtes Umdrehen schlichtweg nicht funktioniert
Tatsächlich war das ein irgendwie machbarer, im Resultat allerdings noch immer ein ziemlich fauler Kompromiss. Immerhin ist das Ergebnis, dass der Korpus, Headstock und die gesamte Hardware eben nicht auf links gestrickt sind, was schon mal das eigentliche Spielen recht unkomfortabel macht. Es ist schlicht umständlicher, an die Volume- und Tone-Potis zu kommen, wenn die sich über und nicht unter den Saiten befinden. Das ist nervig, aber längst nicht das hauptsächliche Problem. Und über das macht man sich nicht unbedingt auf Anhieb Gedanken. Die Rede ist von der Stimmung.
Was die Positionierung von Steg und Saitenreitern für die Mensur bedeutet
Mitentscheidend für die korrekte Stimmung einer Gitarre ist der Steg – der Teil, über den die Gitarrensaiten auf der Korpus-Seite laufen. Denn der gilt als Mensur-Begrenzer und ist erheblich mitentscheidend dafür, dass die Saiten die jeweils korrekte Länge für die Oktavreinheit haben. Zumal die Mensur-Länge von der tiefen bis zur hohen E-Saite etwas unterschiedlich ausfällt, wird der Steg leicht schräg montiert. Drehst du nun die Saiten in ihrer Reihenfolge um, passiert folgendes: Die Mensur der tiefen E-Saite wird zu kurz, die der hohen E-Saite wird zu lang. Analog gilt das für die weiteren Saiten. Das Ergebnis ist, dass du die Gitarre nicht mehr korrekt stimmen kannst.
Was soll man mit einer Gitarre, die sich nicht korrekt stimmen lässt?
Klar gibt es Unterschiede zwischen E-Gitarre und akustischer Gitarre und aus dem Blickwinkel der aktuellen Technik, beispielsweise Gitarren mit Floyd Rose Tremolo, kann das ziemlich problemlos ausgeglichen werden. Das war aber lange Jahre nicht möglich. Bei vielen Modellen ist es das noch immer nicht. So etwa bei akustischen Gitarren, bei denen die Saitenreiter im Steg schräg eingesetzt sind. Die Saitenreiter einfach umzudrehen und das dickere Ende in den dünneren Teil des Stegs einzusetzen, funktioniert nicht. Tja, und was will man mit einer E-Gitarre oder akustischen Gitarre, die sich schlichtweg nicht vernünftig stimmen lässt und bei der folgerichtig die Saiten auf den Bundstäbchen schnarren?
Glücklicherweise es ist eben doch kein hoffnungsloser Fall
Das hört sich nach dem typisch „hoffnungslosen Fall“ an. Nennen wir es vielmehr: Das schreit nach einer Lösung. Und die liegt mit der Linkshänder E-Gitarre eben beim Gitarrenbau. Die Bauteile vom Steg bis zum Sattel müssen zwingend für Linkshänder konzipiert sein. Die Elektronik muss aufgrund der Bespielbarkeit auf der anderen Seite des Korpus‘ platziert werden. Dafür müssen die Ausfräsungen am Korpus der Linkshänder E-Gitarre von vornherein auf dieser anderen Seite durchgeführt werden. Und schon stehen wir wieder vor dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Eine industrielle Fräsmaschine kann nicht mal eben nach Jux und Laune die Fräspunkte verändern. Theoretisch könnte sie schon, aber dafür muss sie neu programmiert werden. Der wirtschaftliche Fließbandprozess wird dadurch unterbrochen. Am Beispiel von Linkshänder-Gitarren erkennen wir gerade den Wahnwitz der industriellen Massenproduktion.
Bauteile bei E-Gitarre, die LH-kompatibel gemacht werden müssen
Bauteil | Item | Grund |
---|---|---|
Steg | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Saitenreiter | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Sattel-Nuten | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Stimmwirbel-Platzierung | Funktional | Saitenspezifischer Saitenzug |
Korpus-Fräsungen | Funktional | Linkshänder-passende Hardwareplatzierung |
Elektronik-Platzierung | Spielkomfort | Potis, Mehrwegeschalter & Co. richtig setzen |
Tremolo | Spielkomfort | Damit das Tremolo richtig bedient werden kann |
Cutaway | Spielkomfort | Damit der Cut der Greifhand nicht im Wege ist |
Anforderungen bei akustischen Gitarren nahezu identisch
Ähnlich gilt das natürlich auch für die Akustik- bzw. Westerngitarre. Handelt es sich um eine reine Akustikgitarre ohne Pickup-System, entfällt logischerweise die Lefty-Platzierung der Elektronik; es gibt keine. Die restlichen Komponenten, also der Steg, die Saitenreiter, der Sattel, der Cutaway als auch die Stimmwirbel müssen wie bei einer elektrischen Gitarre gespiegelt werden. Ebenso muss man den gespiegelten Saitenzug bedenken, zumal die hohen und tiefen Saiten nun mal unterschiedliche Zugkräfte entwickeln und der Hals sich aufgrund dieser Tatsache nicht verziehen soll. Andernfalls wäre das Instrument irgendwann unbespielbar. Bei einer Elektro-Akustik wiederum müssen die Piezo-Elemente oder ein etwaiges Mikrofon versetzt werden, außerdem wandert der Onboard-Vorverstärker, der üblicherweise mit einem Tuner und Equalizer ausgestattet ist, auf die dann oberen Stelle der Zarge.
Bauteile, die bei Akustikgitarre LH-kompatibel gemacht werden müssen
Bauteil | Item | Grund |
Steg | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Saitenreiter | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Sattel-Nuten | Funktional | Stimmung und Vermeidung von Saitenschnarren |
Stimmwirbel-Platzierung | Funktional | Saitenspezifischer Saitenzug |
Cutaway | Spielkomfort | Damit der Cut der Greifhand nicht im Wege ist |
Bracing | Akustisch | Für die Entwicklung von Bässen und Höhen |
Piezo oder Mikrofon | Funktional | Frequenz-optimierte Abnahme |
Onboard-Preamp | Bedienkomfort | Zugriff auf Preamp muss gewährleistet sein |
Lefthand-Gitarren sind üblicherweise teurer
Die zwangsläufig niedrigere Nachfrage haben wir inzwischen ausgiebig herausgearbeitet. Diese Tatsache sorgt im Umkehrschluss dafür, dass du für eine Linkshänder-Gitarre etwa zehn bis dreißig Prozent mehr ausgeben musst als für das vergleichbare Rechtshänder-Pendant. Selbst wenn die Gründe im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand liegen, bleibt es für Linkshänder ärgerlich. Sicherlich wäre es für ambitionierte Musiker angenehmer, wenn die Hersteller eine produktübergreifende Mischkalkulation fahren würden. Tun sie aber nun mal nicht. Es ist eine Realität, mit der du leben musst. Allerdings stehen die Hersteller unter Druck und die Preisunterschiede werden immer geringer, was Linkshändern Hoffnung machen dürfte. Hier ein paar Empfehlungen für E-Gitarren sowie akustische Gitarren von Fender, Ibanez und weiteren Akteuren am Markt:
Linkshänder E-Gitarren
Anbei eine Aufzählung der beliebtesten Instrumente. Die komplette Auswahl für Linkshänder E-Gitarren finder ihr hier.
- Harley Benton SC-450PlusLH LD Vintage Series
- Squier Affinity Tele MN LH BB
- Fender Player Series Strat MN 3TS LH
- Ibanez JEMJRL-WH
- Gibson Les Paul Standard 60s BB LH
- PRS SE Custom 24 Lefthand DC
Linkshänder Akustik-Gitarren
Das gleiche gilt für die Akustikgitarren, wo ihr hier die Top-Auswahl für Linkshänder findet.
- Harley Benton HB Custom Line CLD-10SCE-LH BK
- Epiphone J-200 EC Studio LH VS
- Takamine EF341SC-LH
- Fender Redondo Player JTB LH
- Ovation Celebrity Elite CE44L-5-G
- Taylor 814ce LH 2021
Sind Linkshänder möglicherweise die besseren Gitarristen?
Niemals kämen wir auf den Gedanken, Linkshändern zu empfehlen, sie sollten sich umerziehen lassen. Schließlich wäre das ein Schlag ins soziologische und zugleich musikalische Gesicht der vergangenen Jahrzehnte. Dennoch treibt uns ein Gedanke um, den wir einfach mal in die Menge streuen möchten. Könnte es sein, dass die Linkshänder nicht etwa vermurkste Player sind, denen irgendwie geholfen werden muss, sondern vielmehr sogar, die besseren Musiker? Immerhin gibt es unter ihnen etliche Heros, wie den genialen Steve Morse von Deep Purple, Mark Knopfler als Bandleader der Dire Straits oder den bereits 2011 verstorbenen Gary Moore, die als Linkshänder ganz normal auf Rechtshänder-Gitarren ihre Genialität in die Welt der Musik getrieben haben. Umgekehrt undenkbar? Möglicherweise.
Häufig gestellte Fragen
Wie hält man eine Gitarre, wenn man Linkshänder ist?
Als Faustregel gilt, dass die vom Gehirn bevorzugte Hand den Taktstock schwingen soll. Bei Linkshändern wird somit die linke Hand zur Anschlagshand, die rechte zur Greifhand.
Kann ein Linkshänder mit einer Rechtshänder-Gitarre spielen?
Grundsätzlich ja, es gibt etliche Musiker, die das so umsetzen. Allerdings geht man davon aus, dass die beiden Gehirnhälften unterschiedliche Funktionen übernehmen, was sich gleichermaßen auf die beiden Hände bzw. die dominierende Hand auswirkt.
Hat man als Linkshänder auf der Gitarre Nachteile?
Die einzigen Nachteile sind, dass erstens das Angebot an Linkshänder-Gitarren geringer ausfällt als die für Rechtshänder ausgelegten Instrumente. Zudem sind weniger Noten, Tabs und Lernmaterialien vorhanden. Zudem sind die Gitarren üblicherweise etwas teurer. Spieltechnisch gibt es keinerlei Nachteile, zumal es sich schlichtweg um gespiegelte Instrumente handelt.
Fazit
Wenn du heutzutage als Linkshänder E-Gitarre oder akustische Gitarre lernen und spielen willst, bist du allenfalls aufgrund der Preise marginal im Nachteil. Die Zeiten haben sich glücklicherweise gewandelt. Das Angebot der Instrumente für linkshändige Player ist so groß wie nie zuvor. Es gibt schlichtweg keinen relevanten Grund, sich umerziehen zu lassen. Und wenn du irgendwann in einer Band spielst, ist den anderen ohnehin gleichgültig, mit welcher Hand du die richtigen Riffs und Soli ablieferst.
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