Immer mehr Artists und kleine Labels erhalten in den letzten Wochen Zahlungsaufforderungen von Spotify – in der Regel über ihren Vertriebspartner. Die Nachricht klingt harmlos, hat aber eine unterschwellige Bedeutung: Es wurden 2.300 „betrügerische Streams” gefunden, angeblich manipulierte Wiedergaben – und du musst 10 € oder mehr „Strafe” zahlen. Das ist nicht viel? Aber multipliziere das mit Tausenden von Fällen, und du bekommst ein neues Geschäftsmodell, das auf wackeligen Beinen steht.

Denn: Spotify liefert keine Beweise dafür, welche Streams manipuliert wurden oder wie die Manipulation stattfand. Und sie verlagern das Risiko auf die Künstler – auch wenn diese nichts mit dem Betrug zu tun hatten. Besonders absurd: Wenn Tracks von anderen zu Playlists hinzugefügt und dann von Bots gepusht werden, können Künstler zur Kasse gebeten werden. Kontrolle? Keine. Verantwortung? 100 %. Hier ist die Erklärung von Spotify.

Im schlimmsten Fall kann das zur Sperrung des Kontos oder zu Reputationsschäden führen – und das, ohne dass man jemals einen Fehler gemacht hat. Mit dieser Thematik wollen wir uns in diesem Artikel auseinandersetzen und dir als Artists zeigen, was du für Möglichkeiten hast dagegen vorzugehen.

Wie funktioniert „Spotify-Betrug“ eigentlich – und wer steckt dahinter?

Spotify-Betrug ist die künstliche Erzeugung von Streams durch Bots, Klickfarmen oder bezahlte Werbedienste. Die Streaming-Plattform bekommt die Problematik schon seit längerer Zeit nicht genug in den Griff. Das Ziel von Fake-Streams ist es, die Reichweite und die Einnahmen steigern zu wollen. Das Problem dabei: Nicht immer sind es die Künstler selbst, die betrügen. Viele sind Opfer von Dritten, die Playlists mit Bots füttern oder bewusst die Konkurrenz sabotieren.

Einige Anbieter verkaufen Paketangebote mit „20.000 garantierten Streams“ – meist über dubiose Playlists. Wenn deine Tracks zu solchen Playlists hinzugefügt werden – auch ohne deine Zustimmung –, kann das negative Folgen haben. Das System ist fehlerhaft, undurchsichtig und bietet wenig Schutz für Unbeteiligte. Aber was sollte man tun, wenn man betroffen sind?

1. Überprüfen und dokumentieren

Wenn du eine Nachricht von deinem Vertrieb oder Spotify selbst erhältst, dokumentiere alles. Speichere E-Mails, Screenshots und insbesondere Informationen zu den betroffenen Titeln. Behalte den Überblick über deine Veröffentlichungen, auch rückwirkend – viele Künstler bemerken die Vorwürfe erst Wochen nach dem Vorfall.

2. Anfechten?

Bitte deinen Distributor oder Spotify um Beweise. Frage nach der Quelle der angeblich gefälschten Streams, Playlist-Namen oder IP-Adressen. Viele Künstler berichten, dass sie nie eine konkrete Antwort erhalten haben – dokumentiere also auch das Schweigen.

3. Überprüfe relevante Playlists

Finde heraus, ob deine Titel in unbekannten oder verdächtigen Playlists enthalten sind. Tools wie Spotontrack oder Chartmetric können dabei helfen. Wenn du in Playlists mit vielen weirden Accounts auftauchst, könnte das ein Zeichen für Manipulation durch andere sein.

4. Nutze keine dubiosen Promo-Services

Vermeide Angebote mit unrealistischen Versprechungen („120.000 Streams in ein paar Tagen“). Das Risiko überwiegt bei weitem den Nutzen. Ein einziger Kauf von gefälschter Werbung kann deine gesamte Veröffentlichungshistorie kontaminieren und deinem Profil langfristig schaden.

5. Vernetze dich

Spreche mit anderen betroffenen Künstlern, z. B. auf Discord, auf Instagram oder Musik-Communities. Viele machen die gleiche Erfahrung. Gemeinsam übt ihr Druck auf Distributoren und Spotify aus – und schützt euch davor, sich allein zu fühlen.

6. Langfristig: Baue dein eigenes Publikum auf

Baue über deine eigenen Kanäle wie Instagram, Newsletter oder Website eine Hörerschaft auf – unabhängig von Playlists und Algorithmen. Echte Fans bringen dir auf lange Sicht mehr als jede kuratierte Liste – und sie sind immun gegen Bot-Algorithmen.

Machen das auch andere Streaming-Dienste?

Nein – zumindest nicht auf die gleiche Weise. Während Spotify von Künstlern Zahlungen für verdächtige Stream-Zahlen verlangt, sind andere Plattformen transparenter oder nachsichtiger. Apple Music und Tidal benachrichtigen lediglich Vertreiber oder Labels über Manipulationsverdacht, ohne eine pauschale Geldstrafe zu verhängen.

Deezer und YouTube Music setzen ebenfalls Bot-Erkennung ein, konzentrieren sich jedoch mehr auf Löschungen als auf Strafen. Der Ansatz von Spotify scheint eine Art der Verantwortungsabwälzung zu sein – ohne jede Möglichkeit der Berufung. Es entsteht der Eindruck, dass sie lieber Geld einnehmen als strukturelle Lösungen zu schaffen. Wir haben einen Artikel geschrieben zu fairen Streaming-Plattformen für Künstler, welchen du hier lesen kannst.

Was kommt als Nächstes? Ein System am Abgrund

Die wachsende Kritik an Spotify zeigt: Das Vertrauen vieler Künstler steht auf der Kippe. Wenn Plattformen, die einst für Fairness und Zugänglichkeit standen, zu einem Risiko für die eigene Karriere werden, sind neue Antworten gefragt. In Zukunft wird es entscheidend sein, wie viel Druck auf Spotify und andere ausgeübt wird – und ob Alternativen wie Tidal, Resonate oder Bandcamp an Bedeutung gewinnen können.

In der Zwischenzeit müssen Distributoren, Musikverbände und unabhängige Künstler enger zusammenarbeiten, um klare Standards für Transparenz und Verantwortlichkeit im Streaming-Zeitalter zu setzen. Andernfalls wird Fairness im digitalen Musikmarkt zur Nebensache.

Kein Schutz, keine Transparenz – Künstler müssen die Folgen tragen

Ob absichtlich oder unfreiwillig: Spotifys derzeitiger Umgang mit „betrügerischen Streams” zeigt, wie wenig Kontrolle Künstler über ihre Sichtbarkeit auf der Plattform haben. Anstatt echte Lösungen gegen Botnets und Klickfarmen zu entwickeln, verlagert Spotify die Verantwortung auf die schwächsten Glieder im System – unabhängige Künstler und Labels.

Wer heute bestraft wird, hat oft nichts falsch gemacht – und kann sich nicht einmal verteidigen.
Transparenz? Nicht vorhanden. Fairness? Fragwürdig. Wir müssen überdenken, wie Plattformen mit der zunehmenden Komplexität von Streaming-Ökosystemen umgehen. Bis dahin: Bleibe wachsam, vernetze dich, dokumentiere – und suche nach alternativen Plattformen, die Künstler an erste Stelle setzen.

FAQ: Spotify-Betrug – Häufig gestellte Fragen

Was passiert, wenn ich die Strafe nicht bezahle?

Oftmals zieht der Vertrieb das Geld direkt von deinen Auszahlungen ab. In einigen Fällen kann dies zur Sperrung deines Kontos oder zur Deaktivierung deiner Veröffentlichungen führen.

Kann ich Spotify verklagen?

Rechtlich ist das möglich – aber kaum praktikabel. Der Standort in Irland, die vagen Beweise und die AGB machen es schwierig, sich zu wehren.

Wie kann ich mich davor schützen?

Vermeide dubiose Playlists, überwache deine Streams mit Tools wie Spotify for Artists oder Viberate und arbeite nur mit vertrauenswürdigen Promotern zusammen.

Was tun, wenn andere absichtlich sabotieren?

Auch hier gilt: dokumentieren, melden, vernetzen. Es gibt keinen 100-prozentigen Schutz, aber öffentlicher Druck und kollektive Kommunikation können Bewusstsein schaffen.

Gibt es bereits Gegenbewegungen?

Ja, einige Musikorganisationen fordern mehr Transparenz von Spotify. Und Plattformen wie Resonate oder SoundCloud Fan-Powered Royalties führen neue Modelle ein, bei denen echte Interaktion zählt.

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